Ein Tag in Gibraltar - das ist auf viele Arten eine ganz besondere Erfahrung. Rote Doppeldeckerbusse und Telefonzellen unter der Sonne Spaniens, Fish & Chips neben Tapas-Lokalen, britische Shops, in denen niemand Englisch spricht, und dazu noch ein Flughafen, dessen Start- und Landebahn man zu Fuß überqueren muss. Irgendwie wirkt das britische Überseegebiet ein bisschen wie eine skurrile Parallelwelt.
Unsere Fahrt nach Gibraltar endet zunächst in La Línea de la Concepción, jener spanischen Stadt, die direkt vor der Grenze zu Gibraltar liegt. Hier gibt es am Hafen einen riesigen Wohnmobilstellplatz, von dem aus wir uns zu Fuß auf den Weg machen. Und damit beginnt auch schon der spektakulärste Part, wenn man Gibraltar besucht: Weil das Gebiet nur 6,5 Quadratkilometer groß ist, aber trotzdem über einen eigenen Flughafen verfügt, führt die Straße von Spanien nach Gibraltar direkt über die Start- und Landebahn des Flughafens. Zumindest, wenn man zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist. Für Autos gibt es seit kurzem eine Unterführung.
Bevor wir dort hin kommen, müssen wir aber erst unsere Pässe zücken. Auch Grenzkontrollen gehören zu einem Besuch von Gibraltar dazu, denn das britische Überseegebiet ist nicht Teil des Schengenraumes. Einen Stempel in den Pass gibt es an der Grenze allerdings leider nicht. Schade, denn obwohl Gibraltar für Nico das bereits 19. Land ist, das er besucht, ist der Pass noch recht leer…
Großbritannien unter der Sonne Spaniens
Kaum haben wir die Grenzkontrolle hinter uns gelassen, macht sich Großbritannien unmissverständlich bemerkbar. Keine zwei Meter nach dem Ausgang aus dem Grenzgebäude stolpert man bereits über die erste rote Telefonzelle, auf der anderen Straßenseite erspähen wir die typischen roten Doppeldeckerbusse und die Kreuzungen dorthin sind vorsorglich mit "Look left"- und "Look right"-Beschriftungen versehen - und das obwohl hier ohnehin wie im angrenzenden Spanien Rechts- und nicht wie in Großbritannien Linksverkehr herrscht.
Das Rollfeld des Flughafens befindet sich nur wenige hundert Meter hinter der Grenze und wirkt auf den ersten Blick wie ein riesiger Bahnübergang, der mit Ampeln und Schranken gesichert ist - nur, dass hier keine Züge vorbei rauschen, sondern eben Flugzeuge. Von einem regen Flugverkehr kann man in Gibraltar allerdings nicht gerade sprechen. Fünf Starts und Landungen täglich sind es bei unserem Besuch.
Weil es bei unserer Ankunft bereits später Nachmittag ist, heben wir uns die Hauptattraktion Gibraltars - den Fels von Gibraltar - für den nächsten Tag auf und machen uns zunächst auf den Weg ins Stadtzentrum. Wer hungrig ist findet am Casemates Square je nach Lust und Laune Pubs und spanische Lokale neben einander. Es gibt Guinness und Sangria, Fish & Chips und Tapas, zahlbar in Euros oder Pfund. Richtig genießen können wir das vorerst aber nicht, denn Gibraltar zeigt heute seine ungemütliche Seite. Es stürmt und regnet. Irgendwie erinnert uns das Wetter damit auch mehr an Großbritannien als an Spanien.
Aussicht mit frechen Affen
Doch wir haben Glück: Als wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum Cable Car machen, ist das Wetter deutlich besser. Knapp 23 Euro kostet eine Fahrt auf "The Rock", noch einmal soviel muss man hinblättern, wenn man auch das umliegende Nature Reserve besuchen möchte. Dabei muss aber gesagt werden: Ohne Nature Reserve kommt man am Fels von Gibraltar nicht weit. Sämtliche "Attraktionen" wie etwa der Skywalk, den wir gleich als erstes ansteuern, und die vielen Befestigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg liegen hinter der Ticketkontrolle.
Die berühmten Gibraltar-Affen müssen wir hingegen nicht lange suchen. Ganz im Gegenteil - eigentlich müssen wir vielmehr aufpassen, dass sie uns - und speziell Nico - nicht zu nahe kommen, denn die Tiere haben so gut wie jede Scheu vor den Menschen verloren, springen gerne auch einmal auf die Schulter und versuchen, Rucksäcke zu öffnen, um Essen zu stehlen. Klingt zwar niedlich, ist aber eher furchteinflößend - vor allem dann, wenn der Affe plötzlich aus dem Nichts auftaucht wie in unserem Fall. Zum Glück scheint unser Rucksack nicht sonderlich spannend zu sein, denn nach wenigen Sekunden ist der Affe so schnell wieder weg wie er gekommen ist. Deutlich niedlicher ist da schon das Babyäffchen, das wir am Rückweg zum Cable Car entdecken.
Ein wenig enttäuschend: Der südlichste Punkt des europäischen Festlandes
Von Gibraltar ist es jetzt nur noch ein Katzensprung nach Tarifa - dem südlichste Punkt des Europäischen Festlandes. Acht Monate nachdem wir mit Nico am Nordkap waren, müssen wir natürlich auch dort hin. Die letzten Kilometer von Gibraltar aus führen durch die Hafenstadt Algeciras, von wo aus die Fähren nach Marokko ablegen. Kurz spielen wir mit dem Gedanken, für einen Ausflug überzusetzen. Mit dem Wohnmobil nach Marokko - klingt reizvoll, doch dafür haben wir zu wenig Zeit. Stattdessen genießen wir am Weg nach Tarifa einfach die Aussicht auf Afrika, das zum Greifen nah scheint.
Leider haben wir uns den südlichsten Punkt Europas irgendwie spektakulärer vorgestellt. Für die vielen Kitesurfer, die hier vor den Augen der Touristen meterhohe Sprünge darbieten, scheint Tarifa ein Paradies zu sein, doch jene, die wie wir kommen, um einmal am „Ende“ Europas zu stehen, werden enttäuscht. Voller Vorfreude spazieren wir noch den Damm zur Isla de Las Palomas entlang, wo das Mittelmeer auf den Atlantik trifft, doch dann stehen wir vor einem verschlossenen Tor. Der Leuchtturm ist leider nicht für die Öffentlichkeit zugänglich und kann nur im Zuge von speziellen Führungen besucht werden.
Die Fahrt hierher ist dennoch nicht umsonst. Am Atlantik warten kilometerlange Strände und wunderschöne Sonnenauf- und -untergänge auf uns. Und wir haben in einem Jahr mit Baby an Bord nicht nur den nördlichsten auf dem Straßenweg erreichbaren Punkt des europäischen Festlandes, sondern auch den südlichsten erreicht - Leuchtturm hin oder her.
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